Was war die initiale Idee für die Geschichte?
Am Anfang steht meine eigene Selbstfindungsreise nach dem Abitur, in der im Grunde das komplette Lebensgefühl von „Trans Bavaria“ eingebettet ist: Alleine nach Moskau und weiter durch Sibirien, bis nach Peking. Aufbruch und Rückschau. Das Gefühl des Nichtdazugehörens, -könnens und -wollens, und trotzdem dieses Gefühl von jugendlicher Unverwundbarkeit und das Drängen danach, etwas verändern zu wollen, eine unbändige Naivität gepaart mit Melancholie: Dieses Gefühl ist in meinen Reisetagebüchern von damals konserviert und seit Beginn meines Studiums an der Filmhochschule bestand der Plan, diesen Film zu drehen.


Was ist (in deinem Film) ein Revolutionär?
Für Quirinalis ist der Begriff des Revolutionärs romantisch besetzt, etwa wie „Ritter“ oder „Abenteurer“. Sein Blick auf die Figuren Ché und Fidel ist ein verklärend nostalgischer und kein realpolitsch-historischer oder gar ein gesellschaftlich differenzierter. Für ihn sind die Beiden Projektionsfläche, melancholischer Abglanz einer verschwindenden Welt,
deren Idealen er sich verbunden fühlt. Im Grunde also ein ähnlich verklärtes, unkritisches Bild wie es der Bayer von seinem König Ludwig hat. Oder wie das Bild vom Kaiser in „Radetzkymarsch“. Eine Welt von Gestern. Der Sozialrevolutionär, der eigentlich mal für Aufbruch und das Neue stand, wird  in „Trans Bavaria“ zum Bild einer rückwärts gerichteten Sehnsucht. Dieses Bild hat erstmal nichts zu tun mit Twitter-Revolution am Tahrir-Platz, Occupy oder gar dem „Revolutionär“ als inflationär gebrauchtem Begriff im Bezug auf einen Erfinder technischen Spielzeugs à la Steve Jobs. In „Trans Bavaria“ ist der Revolutionär vielmehr eine Chiffre für Romantik, Träume und Idealismus in unserem postideologischen Zeitalter, diesem seltsamen 21. Jahrhundert.


Was bedeutet Heimat für dich?
Meine Jugend war geprägt vom Gefühl der Nichtzugehörigkeit. Aufgewachsen in einer niederbayerischen Kleinstadt, stand ich mit meiner Sicht der Dinge meistens alleine, mit meinen künstlerischen Aktivitäten wie auch mit meiner politischen Meinung. Also hatte ich meine Hoffnung darauf gesetzt, in der Großstadt würde alles besser werden, dass ich an der Filmhochschule endlich als junger, idealistischer Schöngeist erkannt würde. Doch plötzlich wurde ich von den „Gleichgesinnten“ aufgrund meiner Herkunft und meines Zungenschlags zum bayerischen Klischee und zum Stellvertreter der Patrona Bavariae auf Erden ausgerufen. Da wurde ich mit Bier und Beckenbauer in Verbindung gebracht. Sogar „dein Stoiber“ hieß es. Da wurde in mir plötzlich das gesehen, worunter ich als Heranwachsender immer gelitten hatte. Das hat mich dazu gezwungen, mich mit meiner Herkunft noch mal neu auseinanderzusetzen. Und dann wurde mir klar dass Anderssein  nicht geographisch verortet ist, keine Trennung zwischen Stadt und Land vollzieht, sondern dass diese Trennung in mir ist. Und in dem Moment, als ich das erkannt und zugelassen habe, ging es mir wirklich besser. Wie bei Max Frisch: „Wer nirgendwo ankommt, verpasst sich selbst.“ Oder in „Trans Bavaria“: „Heimweh habe ich nach der Donau, nach meinem Hund und nach dem Böfflamott meines Vaters.“

Fehlt es der heutigen Jugend an revolutionären Gedanken und Idealismus?
Nein, das glaube ich eigentlich nicht. Ich habe sogar das Gefühl, dass es durchaus viel Widerspruch gibt, Autoritäten sind längst nicht mehr so klar. Ich denke, dass auch ein Alexander Dobrindt der Jungen Union heute nicht mehr erzählen kann, dass Hedgefonds die Verkörperung christlich-sozialer Werte sind. Aber wohin mit der Wut und den Idealen,
wenn die Wirklichkeit kommt? Da regiert dann doch der Wunsch nach Sicherheit und man „funktioniert“ besser als Bachelor of Wasweißich, sonst tut es bestimmt ein anderer. Ich kenne genügend Leute, die mit 17 missionarische Müsli-Hippies waren und nach der Schule in Lateinamerika Straßenkinder betreut haben. Aber irgendwann waren die Haare
dann kurz fürs duale Studium in der Automobilindustrie. Da greift dann die Diktatur der Normalität. Wirtschaftskrisen sind manchmal stärker als Träume. Ich mag im Film das Bild mit der Karte des Römischen Reiches. Damit ist im Grunde klar, dass sie mit völlig falschem Maßstab navigieren. Nicht nur das in der Schule Gelernte erweist sich als nutzlos,
sondern vor allem auch die Träume und Vorstellungen aus Kindheit und Jugend sind ein unzuverlässiger Kompass in der „Neuen Welt“. Was aber eben nicht heißt, dass sie wertlos sind. Im Gegenteil. „Er soll für die Träume seiner Jugend Achtung tragen, wenn er ein Mann sein wird“, sagt der Marquis Posa. Ich denke, Quirinalis muss sich diesbezüglich nichts vorwerfen.

Liegen dem Buch persönliche Erfahrungen zugrunde?
Zunächst hat schon die Reise nach Russland bzw. China tatsächlich stattgefunden. Auch für mich ging es damals darum, Perspektive für einen Neuanfang zu finden. Hinter all der ironischen Revolutionsromantik liegt ja eine große Traurigkeit. Da bin ich, wie Quirin, ein Kind des vergangenen Jahrhunderts, fasziniert von sozialromantischem Idealismus, dafür oft belächelt und gezwungen, in einem technologie- und kommunikationshörigen Zeitalter zu leben. Die Gratwanderung zwischen „angry young man“ und innerem Exil kenne ich sehr gut. Natürlich sieht Quirin besser aus als ich, aber das ist ja das Vorrecht des Regisseurs, dass er diese kleinen Wirklichkeiten schönt. Joker und Wursti gibt es auch,
sie sind ein Konglomerat aus realen Personen und Freunden, was das Ganze zu einer sehr persönlichen Geschichte macht. Die Frage, die Quirin stellt, ist: „Kann ich anders sein ohne alleine zu sein?“ Ich denke die persönliche Erfahrung, die ich gemacht habe und die nun auch die Entstehungsgeschichte des Filmes noch mal gezeigt hat, ist, dass diese metaphorische Revolution ohne Bundesgenossen, Loyalität und Freundschaft nicht möglich ist. Mit 70 Mann kann man Kuba erobern. Alleine nicht.

Wie konntest du das Roadmovie bewerkstelligen? Planung, Finanzierung, etc?
Wenige Wochen vor Drehbeginn ist die komplette Finanzierung geplatzt, das Projekt stand vor dem Aus: Keine Filmförderung, kein Sender und keine Produktionsfirma mehr. Ein wahres Cannae also. Es ist einer Mischung aus bayerischer Sturschädligkeit, grenzenloser Naivität und dem vielbesungenen Idealismus geschuldet, dass wir es trotzdem riskiert haben, dieses Riesenprojekt selbst und ohne Geld zu stemmen. Ich habe dann gezwungenermaßen die Rolle des Produzenten und Regisseurs in Personalunion übernommen, und wir haben uns dann sozusagen mit einer winzigen Keimzelle des Widerstandes, bestehend aus Freunden und Familie, zu dieser Reise aufgemacht. Das war eine beinahe groteske Parallelität der Ereignisse. Das Verschmelzen von Film und Realität ging dann soweit, dass wir beim Dreh tatsächlich, wie die drei Jungs, mit dem kaputten Schweinemobil in der Hohen Tatra festsaßen. Da habe ich mir manchmal gewünscht, ich hätte auf meine Großmutter gehört, die mich lieber als Pfarrer gesehen hätte. Wenn dieses martialische Bonmot stimmt, Film sei Krieg, dann waren wir die kleinste Guerrilla-Armee überhaupt, ohne Waffen, mit fehlerhaften Feldkarten und vor allem ohne Nachschub. Die einzigen Finanziers waren die HFF München, die sich für uns eingesetzt hat, und die familiären Ersparnisse meiner Mutter. Niemand hat Geld bekommen: Team, Schauspieler, alle haben ohne Gagen gearbeitet. Mein gesamter Freundeskreis wurde zum Team. In dieser Zeit war es bestimmt nicht leicht, mit mir befreundet zu sein. In der Heimat haben wir außerdem überwältigende Unterstützung erfahren, vom Bürgermeister bis zu den Leuten, die selbstlos mitangepackt haben. Das war dann wie in dem berühmten gallischen Dorf.

Wie bist du beim Casting vorgegangen?
Ich habe bewusst drei Laiendarsteller für Quirin, Joker und Wursti besetzt, weil mir diese gewisse Unschuld und Ungeschliffenheit einfach sehr wichtig war. Und das haben die Drei absolut getroffen. Die Jungs waren nach zwei Wochen im Schweinemobil, nur mit Spezi, Tabak und einem Harry-Potter-Hörspiel ausgerüstet, wirklich unzertrennlich geworden. Wie drei Hobbits. Da war eine Form der Verschworenheit, die nicht mehr gespielt werden musste.


Was wünschst Du Dir vom Publikum?
Da meine Bonität nach dieser Produktion im Rating noch hinter Kuba liegt, wäre es schön, wenn aus Solidarität alle Zuschauer zweimal ins Kino gingen. Mein Vermieter akzeptiert leider nur hartes Geld. Da holt der Kapitalismus die romantische Utopie also wieder ein. Im Ernst: Ich hoffe, dass den Zuschauern „Trans Bavaria“ als etwas andere Sicht auf Welt und Heimat gefällt. Dann hätte sich all die Arbeit, all das Risiko auch wirklich gelohnt.